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Lernsituationen strukturieren und Wissen koproduzieren – Ein Rahmen für selbstorganisiertes Lernen in der Kultur der Digitalität

    Wie kann selbstorganisiertes Lernen in der Kultur der Digitalität gelingen? Wie werden Lernsituationen strukturiert und Wissen koproduziert? Zur Beantwortung dieser Fragen entwickelten wir ein Lernmodell mit den zentralen Bezugspunkten: Lernsetting, Lernprozess und Rollen der Beteiligten.

    Traditionelle Lehr- und Lernformen sind oft nicht mehr zeitgemäss und werden den Anforderungen der Digitalität nicht gerecht, da sie auf die Rolle von Dozierenden als Wissensvermittler:innen und auf die der Studierenden als zu Bildende fokussieren. Es gilt mit Lernformen zu arbeiten, die neue Formen von Referenzialität ermöglichen. Eine zentrale Aufgabe von Dozierenden und Studierenden wird sein, das dekontextualisierte Wissen, das aus den vielfältigen digitalen Quellen zu generieren ist, in einen reflektierten und fachlich fundierten Zusammenhang einzubetten. Es bedarf der eigenen Arbeit an Informationen, die erst ein vertieftes Verständnis ermöglicht. Eine begründete und rationale Urteilsfähigkeit zu entwickeln, die sich auf Verschiedenes beziehen kann und die eigene Einschätzung überprüfbar macht, ist eine zentrale Kompetenz in jedem Studium. Um das zu ermöglichen, sind neue Rollen für alle Beteiligten erforderlich.

    Im Rahmen unseres Projektes zur Gestaltung digitaler Lernumgebungen schaffen wir einen Bezugsrahmen, der eine Antwort geben will auf die Frage, wie selbstorganisiertes Lernen in der Kultur der Digitalität gelingen kann.

    Selbstorganisiertes Lernen setzt auf eine aktive und eigenständige Lernhaltung aller Beteiligten und erfordert eine Weiterentwicklung digitaler Kompetenzen. Lernende müssen beispielsweise in der Lage sein, digitale Medien produktiv zu nutzen und Informationen kritisch zu hinterfragen. Selbstorganisiertes Lernen ist ein handlungsregulierender Prozess, der durch innere und äussere Einflüsse (Situations- und Kontextbedingungen) gesteuert wird. Das von uns entwickelte Lernmodell dient als Bezugsrahmen zur Strukturierung von Lernprozessen in einer digitalen Welt. Es besteht aus drei Dimensionen, die eine Lernsituation massgeblich prägen:

    • Das Lernsetting oder organisatorische Setzungen: Sie beschreiben die Vorannahmen, welche die Verantwortlichen für einen Lernabschnitt treffen. Einige dieser Vorstellungen sind altbekannt und gelten für jede Art von Unterricht (z.B. Lernen in Gruppe bzw. als Individuum). Durch die Digitalisierung sind jedoch neue Regler hinzugekommen (z.B. online und onsite), die die Möglichkeiten der Anpassung eines Lernsettings vervielfachen. Die sinnvolle Gestaltung von Lernsituationen hängt vom jeweiligen Kontext (Ziele und Inhalte) ab. Die didaktischen Schieberegler im Lernmodell zeigen, in welchen Dimensionen eine Lernsituation gestaltet ist. Für alle Beteiligten wird sichtbar, wie das Lernsetting aussieht. Durch das Schaffen von Transparenz werden Settings verhandelbar.
    • Der Prozess, der beim Lernen durchlaufen wird: Der Prozess ist eine Aufeinanderfolge von Handlungen in einem zirkulären Prozess, wie er aus Problemlöseverfahren oder dem Projektmanagement bekannt ist. In der Orientierungsphase wird eine Auseinandersetzung mit den notwendigen Inhalten und Kompetenzen angeregt. In der Planungsphase werden Lernprojekte ausgehandelt und festgelegt. In der Durchführungsphase werden die einzelnen Aufträge systematisch bearbeitet. Es werden neue Lösungswege ausprobiert, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Dozierende beraten, inspirieren und fördern das Experimentieren mit neuen Lösungswegen. In der Evaluation wird das Erreichte (selbst-)kritisch beurteilt und gefestigt.
    • Rollen, die die Beteiligten einnehmen und die das Lernen beeinflussen: Für selbstorganisiertes Lernen ist es wichtig, die traditionelle Rollenverteilung im Lehr-Lernsetting aufzubrechen. Die Lernenden müssen die Möglichkeit haben, Verantwortung zu übernehmen und sich in verschiedenen Rollen am Lernprozess zu beteiligen. Die Rollen der Beteiligten (z.B. Gastgeber:in, Dokumentar:in, Lernbegleiter:in, Ökonom:in und Expert:in) werden definiert und mit entsprechenden Verantwortlichkeiten versehen, um das Lernen als Koproduktion von Mitarbeitenden der Hochschule, Praxisvertretern und Studierenden zu gestalten. Definierte Rollen und Instrumente wie das Teamboard stellen sicher, dass die Gruppe nicht sich selbst überlassen bleibt und in ein Vakuum fällt.

    Ziel unseres Projektes war es bisher, zu zeigen, dass selbstorganisiertes Lernen nicht nur eine Antwort auf die Herausforderungen der digitalen Kultur ist, sondern auch neue Möglichkeiten für individuelles und kollaboratives Lernen eröffnet. Durch die klare Strukturierung von Lernsituationen und die Koproduktion von Wissen können Lehrende und Lernende ihre Lernprozesse aktiv gestalten und so die Chancen der digitalen Welt optimal nutzen.

    Wir haben das Modell unter Berücksichtigung aktueller theoretischer Überlegungen und der Erfahrungen der Beteiligten der Hochschullehre entwickelt, aber noch nicht überprüft, wie es sich in der Lehrpraxis an einer Hochschule bewährt. Der nächste logische Schritt ist daher die Implementierung des Lernmodells in die Hochschulpraxis. Unser nächstes Ziel ist es, das Lernmodell in einem Modul zu implementieren und die Umsetzbarkeit zu überprüfen. Im Sinne eines iterativen Vorgehens sind Ergänzungen, individuelle Spezifizierungen und weitere Verfeinerungen durchaus möglich. Für interessierte Personen ist der Bericht zum Lernmodell unter diesem Link verfügbar.

    Kontakt

    Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
    Sabine Rimmele
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    +41 41 367 48 45

    Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
    Elina Lehmann
    email hidden; JavaScript is required
    +41 41 367 48 95

    Quelle Titelbild:
    Rimmele, S., Lehmann, E. & Knecht, D. (2023). Lernsituationen strukturieren und Wissen koproduzieren. Ein Rahmen für selbstorganisiertes Lernen in der Kultur der Digitalität. Luzern: Verlag interact.

    24. Mai 2023, Prof. Sabine Rimmele (HSLU), Elina Lehmann (HSLU) und Prof. Donat Knecht (HSLU)

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